Marvin Kren


Horror, Heimat und unsichtbare Monster

22.09.2013
Interview:  Matthias Greuling

Regisseur Marvin Kren (M.) mit den Darstellern Edita Malovcic und Gerhard Liebmann © Allegro Film

Das erste österreichische Creature Feature heißt „Blutgletscher“ und entstammt der Regie von Marvin Kren, der bereits mit dem Horrorfilm „Rammbock“ für Aufsehen sorgte. Nun hatte der 33-jährige Wiener etwas mehr Budget und drehte einen etwas größeren Film. „Blutgletscher“  (Kinostart: 27. September) erzählt von einer Klimaforschungsstation in den Alpen, deren Forscher ins Rätseln geraten, weil aus einem schmelzenden Gletscher eine rote Flüssigkeit austritt... Wir sprachen mit dem Regisseur über Horror, Heimat und unsichtbare Monster.


FilmClicks: Nach Ihrem Debüt „Rammbock“ ist „Blutgletscher“ nun Ihr zweiter Horrorfilm. Was gefällt Ihnen an diesem Genre, und wie schaffen Sie es, ihm neue Aspekte abzugewinnen?
MARVIN KREN: Ich glaube, beim Horrorfilm schätzt das Publikum die Grenz-Erfahrungen, die man dabei auf der Leinwand erlebt. Ich selbst pflege einen sehr persönlichen Zugang zu dem Genre, weil ich glaube, dass Filme nur dann gut sind, wenn sie aus einem persönlichen, autorenhaften Zugang heraus entstehen. Bei „Rammbock“ und „Blutgletscher“ habe ich gemeinsam mit Drehbuchautor Benjamin Hessler die Regeln des Genres übernommen, aber im Inneren versuchten wir, sehr persönliche Geschichten zu erzählen und das Horror-Genre stellenweise auch zu verlassen. Es ging uns um Kontraste zum Genre, um die Hauptfiguren und ihre inneren Kämpfe.
 
Die Hauptfigur in „Blutgletscher“ ist Janek (Gerhard Liebmann), ein von der Liebe zu Tanja (Edita Malovcic) enttäuschter, eremitisch lebender Einsiedler in den Bergen. Wie passt eine Lovestory zu einem Horrorfilm?
Lovestorys gibt es im Horrorfilm immer wieder - einfach, um eine gewisse Nähe und Identifikation des Publikums zu den Figuren herzustellen. Aber ich glaube, die Art und Weise, wie wir diese Lovestory in „Blutgletscher“ inszenieren, ist eher ungewöhnlich. Es geht in dem Film auch um das Thema des menschlichen Zusammenlebens, und ich selbst zähle mich zu den eher melancholischen Typen, die das dramatische Potenzial in schrecklichen Beziehungsgeschichten erkennen. Für Janek ist seine unglückliche Liebessituation schrecklicher als all die Monster, die draußen wüten.
 
Ihr Held Janek ist von seinem Wesen her ein Antiheld.
Ich wollte ein bisschen spielerisch mit dem „österreichischen Filmhelden“ umgehen. Wenn man am Land unterwegs ist und in den Gasthäusern die Bauern und Forstarbeiter und Holzfäller sieht, mit ihren von der Natur gezeichneten, ledrigen Gesichtern, dann sieht man, welch großartige Heldenfiguren es in Österreich gibt. Nur kommen die in den Filmen nicht vor. Dort sind die Helden meist Raunzer, Loser, impotent. Natürlich ist Janek ein Antiheld, aber er ist sehr potent, hat sehr viel Kraft. Janek, der Alkoholiker, der sich auf den Berg zurückgezogen hat, ist eine gute Parabel für die Welt, die wir zeigen wollten: Er ist weit weg von dem Ort, an dem er eigentlich sein sollte: Drunten im Tal, bei Frau und Kind. Das ist sehr konservativ, aber es zeigt anschaulich, was wir transportieren wollten: Jemand, der sich selbst verlassen hat und sich schrittweise vergiftet.

So sieht er aus: Der blutende Gletscher in „Blutgletscher" © Allegro Film

Der Film zeigt apokalyptische Zustände: Ein Berg beginnt zu bluten, aus ihm heraus entwachsen Monster. Es geht um die Rache der Natur am Menschen, der sie zu lange geknechtet hat.
Wir wollten mit dem Thema des Films mit einem zwinkernden Auge ein kollektives Schuldgefühl  auslösen. Wir reflektieren die Zeit, in der wir uns befinden, und in der wir jeden Tag Bilder davon sehen, dass die Welt wohl bald dem Untergang geweiht ist, wenn wir weiterhin so mit ihr umgehen. „Blutgletscher“ ist ein kammerspielartiger Zombiefilm, dessen Motiv, ein blutender Gletscher, als Parabel dafür steht, dass es bergab geht.
 
Für „Rammbock“ hatten Sie damals 200.000 Euro zur Verfügung. Diesmal ist wohl mehr Budget da gewesen?
Ja, insgesamt rund zwei Millionen Euro. Produzent Helmut Grasser gefiel unser Motiv des blutenden Gletschers und die Verbindung von Monstern und den Alpen. Die erste Drehbuchfassung, die wir schrieben. hätte leicht 20 Millionen gekostet, also mussten wir mit kreativem Geist daran gehen, den Film trotzdem zu realisieren, ohne unsere Ideen zu verraten. Wir beschlossen, für das erste österreichische Creature Feature den Old-School-Weg einzuschlagen: „Blutgletscher“ ist eine Verneigung vor den Filmen von John Carpenter, Joe Dante, Jon Landis und auch Ridley Scott. Vieles hier spielt sich in der Imagination des Publikums ab, man sieht die Monster immer nur sehr kurze Zeit, der Rest wird über Soundeffekte und Schnitte gemacht.
 
Was im Endeffekt viel weniger Geld kostet.
Exakt. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Ich finde, dass man vielen CGI-Monstern aus US-Filmen ihre Einsen und Nullen förmlich ansieht - das hat nichts Haptisches mehr. Hingegen sind tatsächlich handgemachte Monster viel authentischer. Und die Spannung steigt, je sparsamer man sie einsetzt.
 
Die Langversion dieses Interviews ist in der aktuellen Printausgabe unseres Partnermagazins „celluloid“ (Nr. 5/2013) erschienen, die Sie hier bestellen können: www.celluloid-filmmagazin.com