Tony Hadley


Ein Film über Spandau Ballet in Cannes: „Wir waren eher brave Jungs“

18.05.2014
Interview:  Peter Beddies

Spandau Ballet: Die Musiker mit Sänger Tony Hadley (Mitte) heute © Spandau Ballet

Spandau Ballet: Die Rockstars um Vokalist Tony Hadley wurden am Rande des Festivals von Cannes geehrt. „Soul Boys of the Western World“, eine Doku über die Götter der New-Romantics-Bewegung der Achtziger Jahre, hatte Premiere. Spandau Ballet, nach einer Pause von 15 Jahren seit 2009 wieder aktiv, schenkten der Pop-Welt (und den Format-Radios) Pop-Evergreens wie „True“, „Gold“ oder „Through the Barricades“. Tony Hadley, der Frontmann der Band, berichtet im FilmClicks-Interview über den Film, über Musik & Mode und über die Achtziger Jahre. 


FilmClicks: Mr. Hadley, hatten Sie mit dem Film „Soul Boys of the Western World“ die Idee, sich selbst und Spandau Ballet ein Denkmal zu setzen?
Tony Hadley: Oh nein, davon bin ich weit entfernt. Wir hatten ja nach 20 Jahren als Band eine Pause von 15 Jahren. Als wir dann wieder zueinander fanden und merkten, dass wir nicht nur als Band, sondern auch als Freunde funktionierten, wollten wir uns etwas Besonderes für eine Show einfallen lassen. Unser Bassist Martin Kemp war schon immer ganz scharf darauf gewesen, uns überall zu filmen. Das alte Material haben wir dann bei einem Konzert gezeigt und die Fans sind regelrecht ausgerastet.
 
Da entstand die Idee für den Film?
Zumindest haben wir uns und unsere Fans gefragt, ob es noch mehr Material geben könnte. Aus der ganzen Welt wurden uns Sachen zugeschickt. Letzten Endes insgesamt 450 Stunden. Also mussten wir nur noch einen Filmemacher finden. George Hencken war bereit, sich durch das Material zu wühlen und es zu schneiden. Und dann hatte gab es die Idee, jeden von uns Musikern einzeln ins Studio zu holen und uns erzählen zu lassen.
 
Waren Sie überrascht von dem, was die jeweils anderen gesagt haben?
Ja, manchmal schon. Aber wir wollten keinen Film, in dem wir uns als Band äußern. Es sollte schon um uns und besonders die 80er Jahre in England gehen, eine zum Teil verrückte Zeit, eine sehr politische Zeit. Es ging darum, wie jeder von uns diese Zeit erlebt hat.

„Es ist komisch, die alten Aufnahmen zu sehen“: Spandau Ballet in den Achtzigern © Spandau Ballet

Wie schaut man sich die ganzen alten Aufnahmen an? Ist das ein bitter-süßes Gefühl?
Ich würde eher sagen, dass es komisch ist, sich selbst zu sehen. In den ganzen Kostümen, die damals so angesagt waren. Aber es gibt auch Momente, auf die ich auch heute noch sehr stolz bin. Auf dem Plakat zum Film sind wir zum Beispiel im Jahr 1981 in New York zu sehen, mitten auf der Straße. Das verrückte an der Sache: Die Leute haben wegen uns angehalten. Niemand hatte zuvor jemals so etwas gesehen, mal abgesehen von Robin-Hood-Filmen. Wir haben den Verkehr in New York zum Erliegen gebracht. Das kann wirklich nicht jede Band von sich sagen.
 
Wie sieht Ihre persönliche Achtziger-Jahre-Bilanz aus?
Ganz bestimmt nicht so, dass ich diese Zeit nostalgisch irgendwie verkläre. Ich lege mir keine Platten meiner Band auf und schwärme von den guten alten Zeiten. Ich lebe mit meiner Familie, meinen fünf Kindern, schon sehr in der Gegenwart. Was ich aber zu den Achtzigern sagen muss: Es war wahrscheinlich das letzte Jahrzehnt, in dem Musik und Mode miteinander verlinkt waren und sich gegenseitig beeinflussten. Was danach kam, war wichtig und gut. Aber nicht mehr so wie damals. Was ist denn heute in Sachen Mode und Musik so schockierend, dass sich Leute aufregen? Uns wurde damals noch nachgerufen, dass man uns doch endlich zum Militär einziehen solle.
 
Gibt es Sachen, von denen Sie froh sind, dass man sie nie auf Film verewigt hat?
Natürlich. Wenn wir zum Beispiel auf Tour waren und was wir in den Hotelzimmern so alles getrieben haben.
 
Das wollen wir uns jetzt lieber nicht vorstellen.
Es ist anders, als Sie jetzt vielleicht denken. Wir waren eher brave Jungs! Wenn wir im Hotelzimmer richtig auf Touren kamen, haben wir Toilettenpapier genommen, es schön eingeweicht und dann vom Balkon aus Kügelchen auf Passanten geworfen. Das fanden wir damals enorm lustig. Wahrscheinlich würden wir es auch heute noch lustig finden.
 
Im Film erfährt man, woher der Name „Spandau Ballet“ kommt. Nämlich von einer Toiletten-Inschrift. Gab es dieses Ballett wirklich?
Nein, das hat es nicht gegeben. Aber, wenn ich mich richtig erinnere, gab es eine kleine deutsche Rockband mit diesem Namen. Als sie von uns hörten, wollten sie ihren Namen zurück. Aber damals war es so, dass der Erfolgreiche auch den Namen behalten durfte. Und wir waren schon überall im Fernsehen zu sehen.
 
Wie enttäuscht waren Sie beim ersten Besuch in Berlin, wie unglamourös das Stadtviertel Spandau ist?
Stimmt, es ist nicht das Zentrum Berlins. Das hatten wir auch nicht erwartet. Man hatte uns schon vorgewarnt. Aber mit Berlin verbinden wir für immer tolle Erlebnisse. Im November 1989 waren wir in der Stadt, sangen „Through the Barricades“ und dann fiel die Mauer. Das war schon ein ganz spezieller Moment.
 
Viele Musiker touren ausschließlich mit ihren alten Hits. Das machen sie nicht, oder?
Nein, ich habe meine eigene Karriere. Seit Jahren bringe ich meine eigene Musik heraus. Ende des Jahres wird es ein neues Album geben, das ich sicher wieder für mein bestes halte.
 
Und dann gehen Sie als Tony auf die Bühne und die Fans…
…wollen auch die alten Hits. Das ist doch völlig normal. Wer bin ich denn, ihnen die Lieder, die sie lieben, zu verweigern?!
 
Gibt es eine Choreografie, nach der Sie die Hits in das Programm einbauen?
Auf jeden Fall. Ziemlich zu Beginn kommt „True“. Einfach wunderschön, da oben zu stehen und das Mikro hinzuhalten, während die Fans singen. Im Mittelteil kommt das „Through the Barricades“. Und am Ende als Krönung „Gold“. Was ich schon für Geschichten gehört haben, was man zu diesen drei Liedern alles getan hat. Das würde ein Buch füllen oder einen neuen Film ergeben.