Jake Gyllenhaal über „Nightcrawler“


Hungrig nach Sensationen und Erfolg

12.11.2014
Interview:  Anna Wollner

Wo gibt's einen Einsatz? Jake Gyllenhaal lauert in „Nightcrawler“ als Reporter auf blutige Bilder © Concorde Film

Jake Gyllenhaal ist jetzt im Kino mit einem der faszinierendsten Filme des Jahres am Start. Im Thriller „Nightcrawler“ spielt er einen Reporter aus L. A., der mit seiner Kamera Nacht für Nacht auf die Suche nach Sensationen geht. Nach blutigen Bildern für die Morgennachrichten im TV: Tödliche Verkehrsunfälle, Brände, Überfälle, Mord. Der Film von Dan Gilroy liefert nicht nur Hochspannung, sondern auch einen sehr kritischen Blick auf die Boulevardsender, denen es nur um die Quote geht – nicht jedoch um Information. Im FilmClicks-Gespräch erzählt Gyllenhaal, wie er sich für „Nightcrawler“ in den Reporter Lou Bloom verwandelte.


Jake Gyllenhaal über…

…die Reporter, die nachts in Los Angeles auf der Suche nach Sensationen sind:
„Wenn ich mir die TV-Nachrichten anschaue, sehe ich einen 24 Stunden-Rund-Um-die Uhr-Liveticker. Als ich in Los Angeles „End of Watch“ drehte, war ich viel draußen unterwegs. Da habe ich diese Reporter zum ersten Mal wahrgenommen. Wie sie mit ihren Kameras an Tatorten auftauchten mit ihren komischen Vans. Regisseur Dan Gilroy und ich sind dann mal mit zwei Typen losgezogen, die genau das machen in Los Angeles. Es war faszinierend. Wenn du zum Beispiel in einem Polizeiwagen sitzt und durch die Gegend fährst, hast du ein Funkgerät und eine Art von Code. So kommunizieren die Cops untereinander. Aber bei den Reportern ist das so: sie haben 15 Scanner im Wagen, mit denen sie ständig alles absuchen. In unterschiedlichen Lautstärken. Da gibt’s zum Beispiel einen Alarm der Feuerwehr von San Bernardino, dann die Polizei,  dann das Fire Department von L. A. Die Jungs fangen automatisch an, zu selektieren: Es ist nur ein Feuer in einem Gebäude, es ist Nacht, es ist dunkel, da wird niemand sein. Für mich war das Hören von 15 Funkgeräten auf einmal das Krasse. Und dieses Gefühl für Wettbewerb unter den Reportern.“
 
…die Ausstrahlung der Reporter, die ihn an Raubtiere, an Koyoten erinnerten:
„Das Bild von den Koyoten entstand in mir, als ich beobachtete, wie die Jungs mit all ihren Sinnen alles absuchen. Ich habe dann versucht, bei der Arbeit das Leben eines Kojoten zu imitieren. Ich bin gerannt und gerannt, acht bis fünfzehn Meilen am Tag. Ich bin zum Set gejoggt. Wir haben viel im Valley gedreht, in Silver Lake und Echo Park, manchmal in Santa Monica. Meistens bin ich nach der Arbeit einfach nach Hause gelaufen. Oder zur Arbeit hin. Um sieben Morgens, nach der Arbeit bin ich dann zurück gerannt.“
 
…über den Hunger, der seine Filmfigur Lou Bloom antreibt:
„Es gibt zwei Szenen, die wir nicht in den Film aufgenommen haben. In einer bestellt Lou Bloom etwas zu essen und fragt ständig, was die Extras auf dem Hamburger kosten. Er nimmt am Ende einen einfachen Burger und Leitungswasser, weil er sich nicht mehr leisten kann. Er kämpft mit seinem Hunger. Er ist auch im übertragenen Sinne hungrig. Hungrig nach Erfolg. Er ist sehr ehrgeizig, er will die Leute quasi aufessen. Er findet diese verzweifelten Charaktere und isst sie auf. Wie ein Kojote eben.“
 
…über Stress und Adrenalin bei der Arbeit in der Nacht:
„Ich könnte den Job dieser Reporter nicht ausüben. Dafür schlafe ich viel zu gerne. Und ich weiß, wovon ich rede, ich war für „Nightcrawler“ vier Monate am Stück jede Nacht wach. Für die Vorbereitungen und die Dreharbeiten. Jeder, der Nachtschichten macht oder Schlafprobleme hat, kennt das Gefühl. Doch auch, wenn man da unglaublich viel Adrenalin kriegt: Ich finde die Sicht der Polizeiarbeit interessanter. Aber es ist schon faszinierend, was die Jungs mit den Kameras machen - und vor allem, warum. Einige Dialoge dieses Lou Bloom sind mir in Erinnerung geblieben, die sind wie ein Mantra: ,Ich suche einen Job, ich arbeite hart...‘ Diese Sätze gehen nie weg. Sie bleiben immer bei mir. Ich muss mir jetzt bei jedem Film die Frage stellen, ob ich mich selbst wirklich so aufgeben will, dass die Figur ein Teil von mir wird.“



Kritik
Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis
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