Paul Laverty über den Film „Jimmy’s Hall“ und den Iren Jimmy Gralton


Der Revolutionär, der aus den Archiven verschwand

04.10.2014
Interview:  Peter Beddies

Autor Paul Laverty (li.) mit Regisseur Ken Loach: Ein eingespieltes Duo © Polyfilm

Regisseur Ken Loach dreht seit mehr als 40 Jahren Filme über Probleme im sozialen Leben in England. Meist arbeitet er mit dem Drehbuchautor Paul Laverty zusammen. Die beiden schauen gern auch über die Grenzen Großbritanniens hinaus. Zum Beispiel nach Irland. Dort ist der neue Film „Jimmy`s Hall“ angesiedelt, den Loach und Laverty gemeinsam entwickelten . „Jimmy’s Hall“ erzählt von einem Mann namens James Gralton, der eigentlich nur ein Dorfzentrum aufbauen wollte. Und deswegen einen Riesenärger bekam. Paul Laverty erzählt über den Film und dessen historischen Hintergrund.


FilmClicks: Ist James Gralton, um den es in „Jimmy’s Hall“ geht, eine Berühmtheit in Irland?
Paul Laverty: Das sollte so sein. Ist aber nicht so. Und die Obrigkeit ist sehr froh darüber.
 
Wie meinen Sie das?
In den 80er Jahren habe ich in Nicaragua einen englischen Schauspieler getroffen, der mir zum ersten Mal von Jimmy Gralton erzählte. Von diesem Mann, der Kommunist war. Sehr viele Feinde hatte. Aber auch Menschen begeistern konnte wie kaum ein anderer. Als ich dann wieder in Irland war, machte ich mich auf die Suche nach ihm.
 
Was ja nicht schwer sein dürfte. Obwohl der Mann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelebt hat, dürfte ein Blick in die Archive genügen.
Dachte ich auch. Aber egal, wohin ich kam, niemand kannte ihn. Und es stellte sich heraus, dass man offenbar versucht hatte, Gralton aus allen Archiven zu löschen.
 
Ein lebenslustiger Rvolutionär: Barry Ward (M.) als Jimmy Gralton in „Jimmy’s Hall“ © Polyfilm

Was weiß man über ihn?

Jimmy Gralton kam 1886 als Junge von sehr armen Bauern zur Welt. Schnell wandte er sich gegen die Zustände und begehrte auf. Er gründete ein Dorfzentrum, in dem gelesen, gesungen und getanzt wurde. Der Kirche gefiel das überhaupt nicht. Worauf er zum ersten Mal ausgewiesen wurde. Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts kehrte er zurück.
 
 Da setzt ihr Film ein. „Jimmy`s Hall“ erzählt vom zweiten Anlauf Graltons, etwas Leben aufs irische Dorf zu bringen.
Ja, aber wieder stellt sich die Kirche gegen ihn.
 
Woher wissen Sie das, wenn sein Name nirgendwo zu finden war?
Archive kann man löschen. Dazu haben Beamte, die Aufträge bekommen, das Recht. Aber die Ämter haben keinen Zugriff auf Zeitungs-Archive. Dort habe ich sehr viel gefunden, da Jimmy Gralton in den 30er Jahren eine zeitweise landesweit berühmte Person war.    
 
Anfang der 30er Jahre musste Gralton erneut seine Heimat verlassen. Wohin ging er dann?
Er lebte in New York. Arbeitete dort als Arbeiter, im Hafen, ging zur Navy. War in Bars und Fabriken beschäftigt. Nur nach Irland durfte er zeitlebens nicht zurück. Und 1945 starb er schließlich in seiner neuen Heimat.
 
Dass Jimmy Gralton zu aufmüpfig für seine Zeit war, das kann man mit dem Blick von heute vielleicht von verstehen. Aber er galt auch später als Gefahr, oder?
Genau. In den 80er Jahren wurde im Gewerkschafts-Auftrag ein Dokumentarfilm fürs irische Fernsehen produziert. Aber er durfte - auf wessen Druck auch immer - niemals ausgestrahlt werden. Liegt bis heute in den Archiven. Vielleicht wird er ja jetzt, wo wir Jimmy Gralton dem Vergessen entreißen, wieder entdeckt.
 
Was hat Sie als Drehbuchautor an diesem Mann am meisten überrascht?
Dass er Querkopf war und Kommunist und Aufrührer. Aber wohl auch ein sehr  fröhlicher Mensch, mit dem ich gern etwas Zeit bei einem Glas Bier oder Whisky verbracht hätte.    
 



Kritik
Jimmy's Hall
Der englische Regisseur Ken Loach, 78, hat einmal mehr eines seiner großen Sozialdramen inszeniert. In „Jimmy’s Hall“ geht es um eine wahre Geschichte aus Irland, die viele Iren wohl lieber nicht an die Öffentlichkeit gezerrt gesehen hätten. Mehr...