Zwei Herren im Anzug

Geschichten vom stürmischen Leben


FilmClicks:
Im Mittelpunkt: Josef Bierbichler ist Hauptdarsteller, Autor & Regisseur von „Zwei Herren im Anzug“ © Filmladen
GESAMTEINDRUCK: „Zwei Herren im Anzug“ ist eine faszinierende Arthaus-Mischung aus Familiensaga und Politdrama; in Szene gesetzt und meisterhaft orchestriert vom großen Josef Bierbichler.
 
DIE STORY: Bayern, 1984. Der Wirt und Bauer Pankraz (Josef Bierbichler) sitzt in „Zwei Herren im Anzug“ mit seinem Sohn Semi (Simon Donatz) in der Wirtsstube. Gerade sind die letzten Gäste gegangen, die bei Begräbnis und Leichenschmaus Abschied von Pankraz‘ verstorbener Gemahlin Theres (Martina Gedeck) nahmen. Nun sind Vater und Sohn, die einander nie viel zu erzählen hatten, allein. Ganz langsam kommt ein intensiver Dialog in Gang, der Geschichten aus drei Generationen dieser Familie umfasst. Und Semi erfährt jenes furchtbare Geheimnis, das sein Vater ein Leben lang hütete – und das erklärt, warum er stets so große Distanz zu seinem Sohn hielt.

Glorioses Spiel: Josef Bierbichler und Martina Gedeck als Ehepaar © Filmladen

DIE STARS: Josef Bierbichler, der am 26. April 2018 seinen 70. Geburtstag feiert, wurde vom deutschen Magazin Theater heute mehrfach zum Schauspieler des Jahres gewählt. Seine Kino-Karriere begann Bierbichler 1975  in Herbert Achternbuschs „Atlantikschwimmer“..Er drehte auch mit Regisseuren wie Werner Herzog („Herz aus Glas“), Tom Tykwer („Winterschläfer“) oder Michael Haneke („Das weiße Band“).
Bei „Zwei Herren im Anzug“ stützt sich Bierbichler – Hauptdarsteller, Autor und Regisseur – auf ein erlesenes Ensemble, dem große SchauspielerInnen wie Martina Gedeck, Irm Hermann und Catrin Striebeck, Philip Hochmair, Johan Simons und sein Sohn Simon Donatz angehören.

Schatten der Vergangenheit: Bierbichler und Catrin Striebeck bei einem Nachkriegs-Kostümfest © Filmladen

DIE KRITIK: „Verfluchtes Erbe“, entfährt es dem wohlbestallten Agronom und Gastronom Pankraz in einer Szene von „Zwei Herren im Anzug“. Der Spruch kann als Motto für den ganzen Film gelten. Pankraz, der gern Opernsänger geworden wäre, verflucht das Erbe, das ihn dazu zwang, die Familientradition als Bauer und Wirt fortzuführen. Und er ist als Deutscher ein Bürger eines Landes, das ein verfluchtes Erbe mit sich schleppt – vor allem jenes aus den Jahren 1933 bis 1945. Die unheilvolle Zeit hat auch in Pankraz Lebensspuren hinterlassen.
Josef Bierbichler, dieser empfindsame bajuwarische Kraftlackel von einem Schauspieler, hat mit „Zwei Herren im Anzug“ einen empfindsamen bajuwarischen Kraftlackel von einem Film gedreht. Als Darsteller spielt er zwei große Rollen mit all der feinfühligen Wucht, die für ihn typisch ist, selbst. Als Autor verlässt er sich auf die Geschehnisse im Roman „Mittelreich“, den er 2011 veröffentlichte. Als Regisseur schließlich vermengt Bierbichler mit resolutem Eigensinn die gegensätzlichsten Stilmittel, die dann in Summe ein großes, gelungenes Ganzes ergeben.
Lange Passagen des Films sind in hart-elegantem Schwarz-Weiß gedreht. Zu anderer Gelegenheit wird es auf der Leinwand bunt; zum Beispiel dann, wenn es um die Ära des aufkeimenden Wirtschaftswunders geht. Mal ist der Film ein Fest für die Augen (etwa bei einer schwelgerisch schön gefilmten Bootsregatta; Bildgestaltung: Tom Fährmann). Dann wiederum stehen ausführliche Dialoge im Mittelpunkt, als wäre man im Theater. Die Worte sind stets kunstvoll gedrechselt, erklingen jedoch zumeist – auch dies ein Kontrast – in einem erzbayerischen Idiom mit österreichischen Einsprengseln.
So beeindruckt „Zwei Herren im Anzug“ als wilde, aber bekömmliche Kombination von Heimatfilm und Zeitgeschichte-Drama, von emotionaler Schicksals-Story und intellektueller Lebens-Reflexion. Bierbichler erzählt viel und er erzählt deftig, wobei die großen historischen Bögen den Betrachter genauso fesseln wie das Private, das Selbst Erlebte (die Grundzüge der Geschichte sind autobiografisch geprägt).
Der Darsteller Bierbichler agiert mit einer glutvollen Intensität, die allein schon den kompletten  Film füllen würde. Das wunderbare, riesige Ensemble (voran Bierbichlers Sohn Simon Donatz und seine Film-Gemahlin Martina Gedeck) reichert die lebenspralle, lustige, tragische und groteske Geschichte mit unzähligen weiteren Facetten an. Fazit: „Zwei Herren im Anzug“ bietet in 139 kurzeiligen Minuten ganz großes Kino über das Leben in Bayern und das Leben an sich. Faszinierend.
 
IDEAL FÜR: alle Filmkunst-Liebhaber. Und natürlich für die Verehrer von Josef Bierbichler.






Trailer
LÄNGE: 139 min
PRODUKTION: Deutschland 2018
KINOSTART Ö: 06.04.2018
REGIE:  Josef Bierbichler
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Josef Bierbichler: Pankraz / Seewirt
Simon Donatz: Pankraz jung / Semi erwachsen
Martina Gedeck: Theres
Sophie Stockinger: Theres jung
Irm Hermann: Philomena
Margarita Broich: Kammersängerin Krauss
Philipp Hochmair: Pater Ezechiel
Catrin Striebeck: Meinrad
Gerhard Liebmann: Traktorist Ziegeltrum
Rudolf Klaffenböck: Dinewitzer