Lion - Der lange Weg nach Hause

Die Heimkehr des verlorenen Sohnes


FilmClicks:
Ein Mann sucht seine Heimat: Saroo (Dev Patel) studiert das indische Eisenbahn-Netz © Universum
DIE STORY: Das Drama „Lion“, nominiert für sechs Oscars, erzählt eine Geschichte, die man ins Reich der Märchen ablegen würde - wenn sie denn nicht den Vorzug hätte, wirklich passiert zu sein.
Im Mittelpunkt steht Saroo, ein fünfjähriger Knabe aus der indischen Provinz, der eines Tages daheim im Dorf seinen älteren Bruder sucht. Dabei stolpert er in einen haltenden Zug. Legt sich hin. Schläft ein. Als er am nächsten Tag aussteigt, hat er 1.300 Kilometer zurückgelegt. Er ist in Kalkutta. Ohne zu wissen, wie er mit Nachnamen oder wie sein Heimatort heißt.
Wochenlang schlägt sich der Kleine allein auf den Straßen von Kalkutta durch. Bis er von einem Ehepaar aus Australien adoptiert wird. Schnitt. 20 Jahre später. Aus Saroo, nun gespielt von Dev Patel, ist ein smarter junger Australier geworden. Doch der Gedanke an seine verlorene Heimat quält ihn noch immer.
Saroo versucht, via Internet Spuren seiner Vergangenheit zu finden. Irgendwann wird er tatsächlich fündig. Kleine Landschaftsdetails auf Luftaufnahmen erinnern ihn an daheim. Also fährt er los nach Indien. Und er merkt sofort, dass er am richtigen Ort angekommen ist...

Der kleine Saroo (Sunny Pawar) verirrt sich im - und mit einem - Zug © Universum

DIE STARS: Der 26-jährige Dev Patel – ein Brite aus London mit indischen Wurzeln – wurde 2008 durch den Kino-Hit „Slumdog Millionär“ zum Star. Für „Lion“ erhielt er nun seine erste Oscar-Nominierung.
Hollywood-Megastar Nicole Kidman kam für den Dreh von „Lion“ mal wieder in ihre australische Heimat. Rooney Mara, die Dev Patels Freundin spielt, wurde 2015 in Cannes für „Carol“ zur besten Darstellerin gewählt.
Der mittlerweile achtjährige Sunny Pawar – aus Tausenden indischen Kindern für die Rolle des jungen Saroo gecastet – stand bei „Lion“ zum ersten Mal vor der Kamera. Mittlerweile hat er schon seinen zweiten Film abgedreht: In „Love Sonia“ wird man ihn an der Seite von Demi Moore sehen.

Die Adoption: Sue Brierley (Nicole Kidman) mit Saroo (Sunny Pawar) © Universum

DIE KRITIK: Ein jugendliches Schicksalsdrama, das zwischen Indien und Australien angesiedelt ist – „Lion“ zählt nicht zu den Filmen, die spontan das „muss ich unbedingt sehen“-Gefühl auslösen. Doch kaum hat der Film begonnen, wird man fast magisch in den Bann der Story hineingezogen.
Man spürt: Hier geht es um zwei große universale Themen, die jeden Menschen berühren. Um die Suche nach Heimat, und um eine Variante des Gleichnisses vom verlorenen Sohn. Denn bei der Odyssee des kleinen Saroo verliert ja nicht nur der Bub sein Zuhause, sondern auch die Mutter ihren Sohn. Und wenn die beiden einander in Indien nach mehr als 20 Jahren Trennung wieder in die Arme schließen, ist das einer der berührendsten Film-Momente seit langem.
„Lion“ zählt zu jenen Filmen, die kein Geheimnis aus ihrem Finale machen: Man weiß von vornherein, wie die Geschichte ausgeht (nämlich gut). Schließlich hat der echte Saroo Brierley, mittlerweile 36 Jahre alt, ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben, das zum internationalen Erfolg wurde – auf Deutsch erschien es unter dem Titel „Mein langer Weg nach Hause“. In der Verfilmung geht es nicht darum, ob der junge Mann seinen Weg zurück in die Heimat schafft, sondern wie er ihn schafft.
In der ersten Stunde sieht man harte Szenen, in denen der fünfjährige Saroo als obdachloser Straßenjunge in Kalkutta überleben muss. Sein größter (weil einziger) Besitz in dieser Zeit ist ein Pappkarton, auf den er sich nachts zum Schlafen legt. Der Kleine, von Sunny Pawar famos gespielt, gerät in die Fänge von Menschenhändlern, denen so gerade noch entfliehen kann. Dann  kommt er in ein Kinderheim, das eher an ein Kindergefängnis erinnert.
Dort wird er schließlich zur Adoption freigegeben. Erster Auftritt von Nicole Kidman: Wer sie als strahlend schöne Diva kennt, wird sie im Film möglicherweise auf den ersten Blick gar nicht wiedererkennen.  Denn hier spielt sie als Adoptivmutter eine ungemein herzliche, aber auch biedere Australierin aus der Provinz – mit einer altmodischen Sturmfrisur, als wäre der Film in den 1950er Jahren angesiedelt.
Regisseur Garth Davis gelingt es perfekt, den indischen und den australischen Teil der Story zu verknüpfen.  Dev Patel spielt den erwachsenen Saroo als strebsamen jungen Mann, der – mit Adoptiv-Elternhaus und kluger Freundin (Rooney Mara) - bestens integriert zu sein scheint. Und den doch der Gedanke an die verlorene Heimat nicht loslässt.
Als ihm dann ein Studienkollege den Tipp gibt, auf seiner Suche nach den Orten der Kindheit das Programm Google Earth zu nutzen, verschwindet Saroo hinter dem Computer. Er sucht mit Hilfe der Luftaufnahmen von Google Earth die Gebiete entlang der indischen Bahnlinien ab, mit denen er als Kind nach Kalkutta gekommen sein könnte.
Irgendwann entdeckt Saroo tatsächlich Bilder, die ihn an seine Kindheit erinnern. Wäre „Lion“ eine Fiktion, so würde man zu diesen Szenen vermutlich sagen: Typisch Kino. Doch da die Story real ist, muss man vor dem Internet den Hut ziehen, das sich hier von seiner positivsten Seite zeigt: Ohne Google Earth, nur mit Landkarten, hätte Saroo nie und nimmer den Weg zurück in seine Heimat gefunden.
 
IDEAL FÜR: Verfechter der These, dass die stärksten Geschichten des Kinos vom Leben geschrieben werden.






Trailer
LÄNGE: 120 min
PRODUKTION: Australien / USA / Großbritannien 2016
KINOSTART Ö: 24.02.2017
REGIE:  Garth Davis
GENRE: Abenteuer|Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: ab 10


BESETZUNG
Dev Patel: Saroo Brierley
Sunny Pawar: junger Saroo
Nicole Kidman: Sue Brierley
David Wenham: John Brierley
Rooney Mara: Lucy