Der Goldene Handschuh

Die Moritat vom Frauenmörder Fritz


FilmClicks:
„Der Goldene Handschuh“: Der Frauenmörder Fritz Honka (Jonas Dassler) schägt zu © Warner Bros.
GESAMTEINDRUCK: „Der Goldene Handschuh“ ist eine packende Zeitreise in das Hamburg der 1970er Jahre, die mit ihrer Brutalität aber eher verstört als zu unterhalten.
 
DIE STORY: In den „Goldenen Handschuh“ – eine heruntergekommene Kneipe auf Sankt Pauli – kam Mitte der 70er Jahre sehr oft ein gewisser Fritz Honka. Der mehrfach missbrauchte Mann litt unter Wahnkomplexen, suchte ständig nach Anhang und Bestätigung. Zum Teil konnte er das in der Kneipe finden. Die Männer luden ihn schnell ein, einer der ihren zu sein. Die wenigen Frauen allerdings, die ihn zwecks schnellem Sex nach Hause begleiteten, liefen Gefahr, seine vor Dreck starrende Wohnung nicht mehr lebend zu verlassen. Wenn der Serienmörder Honka eine Frau umgebracht hatte, versteckte er die Leichenteile, in Folie verpackt, in den Wänden der Wohnung. 

Gerda (Margarethe Tiesel) lässt sich von Fritz Honka (Jonas Dassler) abfüllen © Warner

DIE STARS: Was man auch immer man von Fatih Akins neuem Film halten mag: Die Darsteller spielen grandios. Jonas Dassler als Fritz Honka ist eine Naturgewalt. Sicher, die Maske hat auch ganze Arbeit geleistet. Aber mit welcher Hingabe er dieses arme Würstchen spielt, das mitten in Hamburg in breitem Sächsisch um etwas Liebe bettelt und zum mörderischen Berserker wird, wenn ihm diese Liebe verwehrt wird, das ist großes Kino. An Dasslers Seite beweist die Grazerin Margarethe Tiesel (was sie schon in Ulrich Seidls „Paradies: Liebe“  tun durfte) viel Mut zur Hässlichkeit. In kleineren Rollen tauchen Marc Hosemann als Honkas Bruder und der Autor Heinz Strunk als Stammgast im „Goldenen Handschuh“ auf.

Heilsarmee-Gisela (Victoria Trauttmansdorff) bei den Frauen vom „Handschuh“ © Warner

DIE KRITIK: Den „Goldenen Handschuh“ gibt es schon gefühlte Ewigkeiten. In die schmuddelige Szenekneipe nahe der Hamburger Reeperbahn zieht es seit den 1950er Jahren alle möglichen schrägen Gestalten. Hier verkehrte auch der Frauenmörder Fritz Honka, dem der Schriftsteller Heinz Strunk 2016 einen Roman und der Regisseur Fatih Akin nun einen grellen, grausamen Film gewidmet hat.
Heinz Strunk beschreibt in seinem Säufer-Roman detailliert, wie es in der Kneipe aussieht und wer sich dort warum seine Zeit vertreibt. Es entstand ein mehrfach ausgezeichnetes literarisches Sittenbild. Das Lesen des Buches ist ein (manchmal grenzwertiges) Vergnügen. Das Kopf-Kino funktioniert prächtig. Man bekommt das Gefühl, den Laden und seine Dauergäste bestens zu kennen. Aber will man all die Grausamkeiten auf der Leinwand sehen?
Der Hamburger Regie-Star Fatih Akin („Gegen die Wand“) hat die Frage nun ganz eindeutig mit Ja beantwortet. Aber er musste bei der Berlinale-Weltpremiere im Februar zugeben: „Der Film ist vielleicht nicht jedermanns Sache“.
Schon in den ersten Szenen wird das schmerzhaft klar. In der Wohnung von Fritz Honka (Jonas Dassler) liegt die erste Frauenleiche. Der Mörder bekommt sie nicht in einen Müllsack gestopft. Also will er sie zerteilen. Nimmt sich eine Säge und setzt am Hals an. Da ihm das Geräusch zu laut erscheint, legt er sich eine Platte auf. Zu Adamos „Es geht eine Träne auf Reisen“ hört man minutenlang, wie der Frau der Kopf abgesägt wird. Wie gesagt - man hört. Es ist nicht so viel Gewalt zu sehen wie in einem alltäglichen Horrorfilm.
Alltäglich ist „Der Goldene Handschuh“ auf keinen Fall. Akin bleibt ganz dicht an diesem Fritz Honka und seinen Taten dran. Doch anders als der Roman, der Erklärungen gibt, warum Honka zum Mörder wurde, verzichtet der Film komplett auf die Suche nach dem Motiv.
Man sieht ein und andere Mal, wie sich Honka alte Frauen in seine Wohnung holt, sich dort mit ihnen besäuft, am Geschlechtsverkehr scheitert und sie dann grausam ermordet. Auf die Dauer ist das – ähnlich wie bei der Blutorgie „The House That Jack Built“, dem letzten Film von Lars von Trier – sehr ermüdend. Eben deshalb, weil der Zuschauer so überhaupt keine Erklärungen an die Hand bekommt.
Das pralle Schmuddel-Leben im „Goldenen Handschuh“, der Kneipe, zeigt Fatih Akin sehr anschaulich. Auch wenn die zumeist gescheiterten Existenzen im Roman noch besser rüberkommen. Dort werden ihre Gedanken in aller Ausführlichkeit ausgebreitet. Akin zeigt kaputte Typen zuhauf in Großaufnahme. Aber nur selten können wir in ihre Seelen blicken.
Fazit: Mutig sollte man den Hamburger Horror des Hamburger Regisseurs Akin auf jeden Fall nennen. Der Film hat – besonders dann, wenn er eng an der Romanvorlage bleibt – gelungene Momente. Aber als Ganzes funktioniert diese filmische Schlachtplatte leider nicht.
 
IDEAL FÜR: Den mutigen Kinogänger, der sich von dem, was er sieht, gern provozieren lässt. 







Trailer
LÄNGE: 110 min
PRODUKTION: Deutschland 2019
KINOSTART Ö: 01.03.2019
REGIE:  Fatih Akin
GENRE: Horror|Thriller
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Jonas Dassler: Fritz Honka
Margarethe Tiesel: Gerda Voss
Victoria Trauttmansdorff: Gisela
Marc Hosemann: Siggi Honka
Adam Bousdoukos: Lefteris
Tristan Göbel: Willi

Interview
„Ich wollte die Zuschauer erschrecken“
Fatih Akin und das Thema Gewalt: Der Hamburger Regisseur erklärt im FilmClicks-Interview, warum er mit „Der Goldene Handschuh“ erstmals einen Horrorfilm drehte. Mehr...